Am Mittwoch, den 26. Februar 2020 besuchten mehr als 30 Gäste die erste Veranstaltung des neuen Jahres in der Reihe „Das Rote Sofa – Burgdorfer Gespräche“. Zum Thema „sozialer Wohnungsbau in Burgdorf“ hatte die SPD sachkundige Referenten eingeladen. Schon mit seiner Einleitung wies der Ortsvereinsvorsitzende Ahmet Kuyucu auf die zunehmende Bedeutung bezahlbarer Wohnungen hin.

In Burgdorf ging man lange von einer sinkenden Bevölkerungszahl aus. Durch steigende Geburtenraten und der Zuwanderung wächst Burgdorf jedoch. Auf der anderen Seite ziehen sich der Bund und Land seit etwa 30 Jahren aus der Wohnungsbauförderung zurück.

Matthias Niewerth-Meinig zeigte in einem Impulsreferat wesentliche Daten auf: So gab es Ende 2017 in Deutschland etwa 42 Millionen Wohnungen, die im Durchschnitt 92 Quadratmeter groß waren. Auf einen Einwohner entfallen im Schnitt 47 Quadratmeter Wohnfläche. Ende 2018 verfügten 52 Prozent der Haushalte über Haus- und Grundbesitz (einschließlich Eigentumswohnungen). In Niedersachsen erreicht die Bruttokaltmiete von sieben Euro pro Quadratmeter rund 30 Prozent des Nettoeinkommens. Die Baulandpreise sind gegenüber 2008 auf das 2,3-fache gestiegen. Es werden zunehmend kleine Wohnungen gesucht, sodass eine denkbare Maßnahme die Umwandlung von zwei großen in drei kleine Wohnungen ist.

Danach stellten die Fachleute sich und ihre Unternehmungen vor:

Frank Wersebe von der Lehrter Wohnungsbau sieht wenig Sinn in der Absenkung der Baustandards zur Senkung der Baukosten. Die Gesellschaft ist zu 85 Prozent im Eigentum der Stadt Lehrte und vermietet rund 1100 Wohnungen. Neubauten werden für eine Lebensdauer von 80 Jahren geplant und derzeit zu etwa 50 Prozent von Alleinstehenden nachgefragt.

Ulrich Pigulla von der Wohnungsgenossenschaft Burgdorf, die etwa 300 Wohnungen vermietet, wies auf Hindernisse bei der Teilung von großen Wohnungen hin: so hätten sich viele inzwischen alleinstehende ältere Damen an große Wohnungen gewöhnt. Trotz eines Sanierungsaufwands von rund 40.000 Euro pro Wohnung können so sanierte Altbauwohnungen noch zu rund 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden.

Gerd Müller ist Sprecher des Wohnprojekts Burgdorf, die Gruppe umfasst 15 Personen. Sie planen seit 2017 und treffen sich zur Zeit 14-tägig, auch in Arbeitsgruppen. Das Wohnprojekt soll neben eigenen Wohnungen auch eine Begegnungsfläche / Begegnungsraum sowie einen Gemeinschaftsbereich mit einer kleinen Werkstatt enthalten. In Deutschland gibt es circa 4000 Wohnprojekte, etwa 30 in Hannover und etwa 10 im Hannoveraner Umkreis. Man rechnet mit einem Zeitraum von acht Jahren von der Idee bis zum Einzug. Eine besondere Herausforderung stellen die aktuellen Baukostensteigerungen dar. Die Gruppe ist nicht auf Eigentumserwerb oder Neubau fixiert, sondern ist offen für andere Lösungen, zum Beispiel „unter dem Dach“ einer Wohnungsgenossenschaft.

Leider konnten wegen der Wintergrippewelle nicht alle Eingeladenen erscheinen. So nahm Ahmet Kuyucu die Rolle des Investors ein. Er beklagte die Personalnot der Bauämter, die zusammen mit vielen komplexen gesetzlichen Grundlagen zu Verzögerungen und Kostensteigerungen führen können. Einige Vorschriften passen nicht mehr zur heutigen Lebenswirklichkeit, so zum Beispiel die Anforderung, 1,5 Parkplätze pro Wohnung zu schaffen: Viele junge Singles verzichten auf das eigene Auto. Wegen der erhöhten beruflichen Mobilität sind Mietwohnungen stärker gefragt als Eigentumswohnungen, deren Neubaupreise für Private kaum tragbar sind.

Frank Wersebe skizzierte Lehrter Projekte: Grundstückspreisen von 250 Euro pro Quadratmeter und hohe Baukosten bedingen Mieten von 11,50 Euro pro Quadratmeter. Positiv wirkt, dass ältere Neumieter ihre bisher genutzten Häuser für Familien erwerbbar machen.

Die Lehrter Wohnungsbau steht zu 85 % im Eigentum der Stadt Lehrte. So können wohnungspolitische Vorgaben optimal umgesetzt werden. Dennoch müssen Neubauten als eigenwirtschaftliche Aufgaben nicht öffentlich ausgeschrieben werden.

Allgemein wird das Erbbaurecht kritisch gesehen. Zum einen erschwert es die Finanzierung, zum anderen ist der Erbbauzins mit einer hohen Renditeerwartung von 4% in der Summe über die Jahre teurer als ein einmaliger Kaufpreis.

Wesentliche Erkenntnisse aus der Veranstaltung wurden von der SPD-Fraktion in ihrem Antrag zur Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft vom 27.02.2020 berücksichtigt:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Burgdorf beantragt, die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (WBG) zu prüfen.

Die Prüfung soll u.a. folgende Aspekte umfassen:

  • Wie kann eine Neugründung erfolgreich im Wohnungsmarkt tätig sein und gleichzeitig bezahlbare Wohnungen erstellen?
  • Welche rechtlichen Voraussetzungen sind für die Gründung notwendig, um ohne die für öffentliche Unternehmen geltenden Vorschriften des Vergaberechts agieren zu können?
  • Wie viel Eigenkapital wird benötigt und wie kann es bereitgestellt werden?
  • Gibt es Partner (z.B. lokal tätige Kreditinstitute), die sich an der Gesellschaft beteiligen würden und keine überzogenen Renditeerwartungen haben?
  • Haben umliegende Kommunen Interesse an einer Zusammenarbeit bzw. können mit bestehenden kommunalen WBGs in der Nachbarschaft Kooperationen eingegangen werden?
  • Gibt es weitere Aufgaben im Rahmen der Stadtentwicklung, die in einer ausgelagerten Gesellschaft schneller und kostengünstiger erledigt werden können?

Bei der weiteren Befassung mit dem Thema werden sich weitere Fragestellungen ergeben, die in die Prüfung ebenfalls einbezogen werden.

Als ersten Schritt erwarten wir einen konkreten Zeitplan, in dem der Bürgermeister darstellt, wann und wie er die Fragestellungen abarbeiten wird.

Begründung:

In der Stadt Burgdorf gibt es nachweislich zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringem bis mittlerem Einkommen. Insbesondere alleinstehende Bürger mit niedrigem Einkommen, Familien mit Kindern und nur einem Haushaltseinkommen sowie Alleinerziehende sind stark betroffen. B-Schein-Berechtigte sind heute z.B. RenterInnen bis zu einer Monatsrente von 1800 EUR oder Alleinerziehende mit einem Kind und einem Monatseinkommen von bis zu 3200 EUR.

Potenzielle Investoren zur Errichtung von gefördertem Wohnraum zu verpflichten ist schwierig. Die Gewinnmarge ist gering und im Zweifel werden woanders hochpreisige Wohnungen gebaut.

Mit einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft kann die Stadt unmittelbar Einfluss auf die Entwicklung von Wohnquartieren, die Wohnungsgrößen, die Mietpreise und Umsetzungsgeschwindigkeit nehmen. Fördergelder fließen nicht in private Taschen sondern in öffentliches Eigentum.

Es besteht bei kommunalen Wohnungen nicht die Gefahr, dass nach Auslaufen der Förderung es zu einer Umwandlung in Eigentumswohnungen bzw. zu erheblichen Mietsteigerungen kommt.