Am Sonntag, den 8.4.2018 war es wieder soweit: Bei herrlichem Wetter fand unser traditioneller Frühlingsempfang im Jürgen-Rodehorst-Haus mit rund 100 Gästen statt. Die Malgruppe „EigenArt“ eröffnete ihre Ausstellung, die noch bis zum 28. Mai immer Samstags von 10 bis 12 Uhr besichtigt werden kann.

Unser Bürgermeisterkandidat Matthias Paul hielt eine Rede zum Thema: Hat das Gemeinwohl noch eine Chance?

Der Ortsvereinsvorsitzende Ahmet Kuyucu begrüßt den Hauptredner, Burgdorfs ersten stellvertretenden Bürgermeister Matthias Paul, die Künstlerinnen der Gruppe EigenART, die Bundestagsabgeordnete Caren Marks, den Europaabgeordneten Bernd Lange, die Landtagsabgeordnete Thordies Hanisch, den Regionsabgeordneten Rudi Alker, von der Presse Frau Schiller und Herrn Bosse sowie ungezählte Vereins- und Verbandsvertreter. Insgesamt haben sich rund100 Personen im Jürgen-Rodehorst-Haus eingefunden.

Ahmet Kuyucu geht in seiner Begrüßung auch auf die neuerliche Diskussion zu Äußerungen wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ des Innenministers Horst Seehofer ein. Für Ahmet ist es eine Scheindiskussion, die letztlich nur Wasser auf die Mühlen derer liefert, die Muslime nicht zu uns gehörig fühlen. In Wirklichkeit leben Angehörige von rund 100 Nationen in Burgdorf und bauen gemeinsam das Land auf.

Der Hauptredner Matthias Paul stellt seine Ausführungen unter das Motto „Hat das Gemeinwohl noch eine Chance?

Zunächst stellt er die These auf „Es sieht düster aus und gerät unter Druck.“ Und untermauert sie mit aktuellen Beispielen auf steigenden Egoismus. Im Ergebnis hat der Kompromiss eine schlechte Presse.

Dann nähert er sich dem Begriff „Gemeinwohl“ zunächst theoretisch „Der Begriff Gemeinwohl kennzeichnet die allgemeinen Zwecke oder die gemeinsam erwünschten Ziele und Werte, um derentwillen Menschen sich in einem politischen Gemeinwesen zusammenschließen.“ Als praktische Auswirkung fließt der Begriff in zahlreiche Gesetze und Bestimmungen ein, zum Beispiel in den Amtseid des Bundeskanzlers „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widme…“ Matthias geht auf verschiedene Sichtweisen ein und untersucht, was das Gemeinwohl umfasst oder umfassen kann. Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Menschenwürde, Nachhaltigkeit. Eine kurze allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Aber man darf die Orientierung an Werten nicht deshalb aufgeben, weil es im Einzelnen ein mühsames Geschäft ist.

Danach zeigt Matthias Paul drei „Schneisen“ auf, um den Begriff Gemeinwohl weiter zu klären:

  1. Die angelsächsische liberale Definition „Der Staat hält sich aus möglichst allen heraus.“, nach Adam Smith „Wenn alle an sich denken, ist an alle gedacht.“ Dies kann jedoch nur bei gleicher Macht aller Akteure funktionieren und schafft in der Realität Verlierer. Aber die angelsächsische Tradition hat auch was Gutes: Sie erinnert jeden von uns daran, dass wir selbst in der Gesellschaft aktiv werden müssen, weil sonst eine Gesellschaft nicht funktioniert. Die Bürgerin und der Bürger sind viel mehr als nur Kundinnen und Kunden der Kommune.

  2. Das Gemeinwohl wird verstanden als Idee, die es als gesetzte Norm schon immer gibt. Hier sagen dann Autoritäten, was richtig ist. Als Autoritäten wurden modellhaft verschiedene Gruppen gesehen: Philosophen, Monarchen, Fachleute, „Volksgemeinschaft“.

  3. Grundrechte werden im Grundgesetz als quasi gegeben naturrechtlich gegeben vorausgesetzt. Das Gemeinwohl wird dann verstanden als Ergebnis eines fairen Aushandlungsprozesses verschiedener Interessengruppen in der repräsentativen Demokratie. Im Ergebnis fallen Mehrheitsentscheidungen, die ihre Legitimität auch daraus beziehen, dass die Rechte der Minderheit geachtet werden.

Nun beleuchtet Matthias Paul die Auswirkungen auf die praktische Politik insbesondere in Burgdorf:

Damit das Vertrauen in die Ratsmitglieder erhalten bleibt, müssen auch sie immer weiter an ihrer Glaubwürdigkeit arbeiten. Auch Ratspolitiker haben die Weisheit nicht gepachtet, sondern Politik ist ein Prozess, in dem man während der Diskussion auch zu anderen Meinungen als vorher kommen kann. Dies muss dann aber auch erklärt werden: Rausgehen, mit den Menschen reden. Und fragen, wo der Schuh drückt und identifizieren, was eine Kommune wie Burgdorf, die wenig freies Geld hat, machen kann. Und wo ich als Bürger einfach mal selbst anpacken kann. Viele der Anwesenden aus Feuerwehr, Sportvereinen, sozialen Einrichtungen und auch diejenigen, die eher im Stillen Menschen in der Nachbarschaft unterstützen wirken beispielhaft, das ist staatlich kaum zu organisieren und daher unverzichtbar. Matthias Paul ist zuversichtlich, dass es uns gemeinsam gelingt, die Welt in Burgdorf immer wieder ein klein bisschen besser zu machen. Matthias Paul wird für seinen anregenden Vortrag mit langanhaltendem Applaus geehrt.

„Mir war es wichtig zu betonen, dass das gesellschaftliche Engagement eines jeden Einzelnen unverzichtbar ist, damit unsere Gesellschaft funktioniert“, so Matthias Paul.

In der Folge stellt Marianne Mayer-Linhof die Gruppe EigenART und die einzelnen Künstlerinnen und ihre Techniken vor.

Zum Abschluss des Frühlingsempfangs ergreift der Ortsvereinsvorsitzende Ahmet Kuyucu das Wort. Er appelliert an die Bundespolitik, heute vertreten durch Caren Marks, die Bildungspolitik nicht den Kommunen und dem Land zu überlassen, sondern die Bildung mit Bundesmitteln zu fördern. Ahmet bedankt sich bei allen, die für die Organisation der Veranstaltung sowie für Speis und Trank gesorgt haben. Er wünscht den anwesenden gute Gespräche und stellt klar, dass wir als Ortsverein Burgdorf uns grundsätzlich distanzieren von Hetze, Populismus, Rassismus und Homophobie, und zwar „online“ und „offline“.