Jürgen Rodehorst

Jürgen Rodehorst wird am 20. August.1870 in Siddernhausen, Krs. Celle geboren.

Er wächst mit 8 Geschwistern auf dem elterlichen Hof auf. Sein ältester Bruder ist der Hoferbe.

Während seines Militärdienstes gibt es ein zentrales Ereignis für seine politische Entwicklung. Er wird aus Verden nach Bremen verlegt, weil das Militär dort eine Demonstration der Tabakarbeiter am 1. Mai verhindern sollte. Dieses Ansinnen empfindet Rodehorst zutiefst ungerecht.

1891 verschlägt ihn ein Militär-Manövers nach Burgdorf. Er bezieht Quartier beim Gastwirt Wiesener in der Braunschweiger Strasse. Der Gastwirt bietet dem jungen Soldaten an, nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienstdienst bei ihm als Knecht zu arbeiten.

1893 heiratet Jürgen Rodehorst Alwine Räuscher, geboren am 9. Mai 1873. Das junge Ehepaar bewohnt eine Wohnung bei Familie Schewe in der Wallgartenstrasse, bis es 1915 das kleine Eigenheim Wallgartenstrasse Nr.11 bezieht. Ihnen werden 6 Kinder geboren: Die Töchter Mathilde, Lieschen – sie heiratet später Fritz Schiwy – und Alwine sowie die Söhne Karl, Robert und nach 21 Ehejahren Friedrich als Nachzügler. Karl verstirbt bereits im jugendlichen Alter. Sohn Robert fällt im Ersten Weltkrieg an der Somme.

Jahrelang arbeitet Jürgen Rodehorst beim Sägewerk Klauke. Sein Arbeitsplatz ist der Beerbusch, den er täglich, im Sommer wie im Winter zu Fuß aufsucht. Als beim Holzschlagen ein Pferdefuhrwerk durchgeht erleidet er eine schwere Beinverletzung und wird zum Invaliden.

Hinter seinem Haus in der Wallgarten Strasse 11 gibt es Stallungen für Schweine und Kaninchen, auf gepachtetem Stück Ackerland werden Gemüse und Kartoffeln angebaut, an der Chaussee Obstbäume gemietet und die Ernte für den Unterhalt der Familie verarbeitet.

Die Rente von Jürgen Rodehorst ist gering. Doch die Familie hält zusammen und arbeitet zusätzlich in Heimarbeit für die Konservenfabrik. Man sitzt in fröhlicher Runde auf der Diele beisammen, befreit die Erbsen von ihren Hülsen und bereitet Bohnen für das Konservieren vor.

Jürgen Rodehost ist ein politischer, sozial-und gerechtdenkender, christlich geprägter Mensch. Durch eine Versammlung im Schützenhaus 1896 motiviert, auf der ein Mitglied der hannoverschen Gewerkschaft spricht gründet sich in Burgdorf eine Ortsgruppe des Fabrikarbeiterverbandes. Jürgen Rodehorst und circa 50 Männer aus Burgdorf sind dabei.

Am 1. April 1898 tritt er in die SPD ein. Der Aufbau der Partei in Burgdorf wird von Celler Genossen unterstützt und Jürgen Rodehorst ist im Jahre 1905 Mitbegründer des Burgdorfer SPD - Ortsvereins.

1910 will die SPD zum ersten Mal einen Umzug zum 1. Mai durchführen. Bürgermeister Schuster bewilligt ihn, allerdings ohne rote Fahnen und Schleifen. - Mit Musik zieht man, verstärkt durch zahlreiche hannoversche Genossen, durch die Stadt. Den Abschluss bildet eine Versammlung im Schützenhaus. Der Bürgermeister bekommt einen strengen Verweis, weil er den Umzug genehmigt hat. Im darauffolgenden Jahr wird die Feier nicht erlaubt mit der Begründung, sie bedeute eine „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“.

Jürgen Rodehorst setzt in Lüneburg die Genehmigung des Umzuges durch.

Er ist Mitglied im Arbeitersängerbund und Mitbegründer der Liedertafel, heute Volkschor.

Die Bildung eines Konsumvereins in Burgdorf führt zu heftigen Diskussionen in der Stadt. Burgdorfer Kaufleute wollen den „Konsumgründern" nichts verkaufen. Theodor Klauke, Arbeitgeber von Jürgen Rodehorst wird bestürmt, ihn zu entlassen, doch er lehnt das ab. Der Kriegerverein schließt Rodehorst und circa 50 weitere Gewerkschafts- und Konsummitglieder aus seinem Reihen aus.

Am 8. November 1918 nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Kaiserreiches bildet sich in Burgdorf der Arbeiter und Soldatenrat mit Jürgen Rodehorst als Vorsitzenden. Seine Mitstreiter und er kümmern sich um die Probleme wie Lebensmittelknappheit, Wohnungsnot und Kriegsheimkehrer. Mit dem Arbeiter-und Soldatenrat ist der erste Schritt in Richtung einer demokratischen Ordnung gemacht. Er organisiert 1919 die ersten allgemeinen freien und geheimen Wahlen. Bis dahin galt das Drei-Klassenwahlrecht je nach Vermögen und zwar ausschließlich für Männer.

1919 wird Jürgen Rodehorst zum Bürgervorsteher (1919 – 1924) gewählt. Das ist heute in etwa vergleichbar mit dem Ratsvorsitzenden.

Aufgrund gesundheitlicher Probleme kandidiert er 1924 nicht erneut, doch steht er stets der SPD und deren Nebenorganisationen mit Rat und Tat zur Verfügung.

Von 1933 – 1945 ist Jürgen Rodehorst vielen Schikanen der Nazis ausgesetzt. Es gibt Aufforderungen, Führerreden anzuhören, Anzeigen bei der Gestapo wegen Verweigerung des Hitlergrußes und defaitistischen Verhaltens. Der Druck auf seinen Sohn Friedrich, in die SA eintreten, ist groß.

Es wird berichtet, dass ein SA-Trupp in Uniform vor dem Elternhaus anhielt, der Truppenführer L. in das Haus eindrang und den 19-jährigen Sohn ultimativ aufforderte, der SA beizutreten. Er wolle ihn zum Dienst abholen. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung und Jürgen Rodehorst verlangte von L. einen gesetzlichen Nachweis, dass sein Sohn zum Beitritt in die SA verpflichtet sei. Der SA- Trupp zog sich daraufhin unter Drohungen zurück.

Friedrich Rodehorst entzieht sich weiterem Druck durch die Nazis und siedelt nach seiner Eheschließung mit Alma Kyburz 1935 nach Hannover um. 1939 wird er als Soldat eingezogen, überlebt den Zweiten Weltkrieg und kehrt mit Frau und zwei Töchtern nach Kriegsende 1945 nach Burgdorf zurück. Nach erstem Unterschlupf bei den Eltern findet die kleine Familie eine Wohnung in der Schillerslager Strasse und Friedrich Rodehorst Arbeit bei der Stadtverwaltung Burgdorf unter Stadtdirektor Röhrig, bis er schon bald als Gemeindedirektor nach Hemmingen-Westerfeld berufen wird. Seine 30- jährige erfolgreiche Amtszeit wird mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes geehrt. Nach seinem Tod wird in Hemmingen eine Strasse nach ihm benannt.

Als Burgdorfer Junge unterhält Friedrich Rodehorst bis zu seinem Tod Kontakt zu seinen Burgdorfer Schulfreunden des Abschlussjahres 1928 und Jürgen Rodehorst ist glücklich, seine Ziele und sein Gedankengut in seinem einzigen ihm verbliebenen Sohn Friedrich fortleben zu sehen. Das ist die große Freude seines Alters.

Ehefrau Alwine stirbt bereits 1954.

Seitdem lebt Jürgen Rodehorst mit seiner Tochter Alwine und Schwiegersohn Karl Schwenke in häuslicher Gemeinschaft in der Wallgartenstrasse.

Jürgen Rodehorst verstirbt am 3. Februar 1970 wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag.