Eine „klimaneutrale“ Wirtschaft bis 2050 wäre für die EU eine gewaltige Anstrengung. Doch die 28 Länder wurden sich in Brüssel nicht einig. Damit war die Stimmung schon im Keller, noch bevor es Abend an das eigentliche Thema dieses europäischen Spitzentreffens ging: Wie stellt sich die Union für die nächsten fünf Jahre personell auf? Der Sozialdemokrat Bernd Lange, frisch gewählter Vizechef seiner Fraktion, brachte eine Abstimmung im Parlament mit allen drei Führungsfiguren ins Gespräch.

Brüssel Die Bundeskanzlerin hatte zwar bei ihrem Eintreffen in Brüssel „einen spannenden Tag“ versprochen. Aber Angela Merkel konnte nicht damit rechnen, dass aus der großen Überraschung am Ende ein peinlicher Rückschlag werden würde. Denn eigentlich wollten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zum Auftakt ihres zweitägigen Gipfeltreffens am Donnerstagabend beschließen, die Gemeinschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. „Ich kann das auch für Deutschland zusichern“, erklärte Merkel. Es wäre eine faustdicke Überraschung gewesen. Denn Klimaneutralität bedeutet, dass die meisten Treibhausgase eingespart werden und der Rest beispielsweise durch Aufforstung oder Speicherung aufgefangen wird. Um die globale Erwärmung und ihre katastrophalen Folgen abzumildern, müsste die europäische Wirtschaft umgebaut werden – weg von Öl, Kohle und Gas.

Doch die gute Absicht scheiterte. Polen, Ungarn, Tschechien und Estland weigerten sich hartnäckig. Zu groß und unbezahlbar schien den vier Regierungschef der notwendige Aufwand, innerhalb von „nur“ 30 Jahren das eigene Land komplett umzurüsten. Der Gipfel, der als Antwort auf die Europawahl und die breiten öffentlichen Forderungen nach mehr Klimaschutz geplant war, erlebte einen furiosen Fehlstart.

Damit war die Stimmung schon im Keller, noch bevor es Abend an das eigentliche Thema dieses europäischen Spitzentreffens ging: Wie stellt sich die Union für die nächsten fünf Jahre personell auf? Erstmal gar nicht, lautete die Antwort der Staats- und Regierungschefs, schließlich habe man ja noch etwas Zeit. Es sei „nicht bedrohlich“, meinte Merkel, wenn es „heute noch keine Entscheidung“ gebe. Bis zur konstituierenden Sitzung des neu gewählten Europa-Parlamentes am 2. Juli in Straßburg seien ja noch ein paar Tage hin.

Eigentlich wollten sich die vier großen Fraktionen im Parlament bis zum Donnerstag auf ein programmatisches Arbeitspapier für die kommenden fünf Jahre einigen, um den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Kommissionschef Jean-Claude Juncker an die Leine zu legen. Doch daraus wurde nichts.

Grünen-Fraktionschefin Ska Keller sagte, man brauche „kein Postengeschachere, sondern eine andere Politik“, während ihr belgischer Parteifreund Philippe Lamberts Anspruch auf „wenigstens einen Topjob für die Grünen“ erhob. Der Sozialdemokrat Bernd Lange, frisch gewählter Vizechef seiner Fraktion, brachte eine Abstimmung im Parlament mit allen drei Führungsfiguren – Manfred Weber (Christdemokraten), Frans Timmermans (Sozialdemokraten) und Margrethe Vestager (Liberale) – ins Gespräch. Wer gewinne, solle auf den Stuhl Junckers wechseln. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel empfahl Bundeskanzlerin Merkel für den Job als EU-Ratspräsidentin, weil sie eine der wenigen sei, die „das Gewicht (der EU, die Red.) in der Welt kennt und bereit ist, es auch gegen heftige Widerstände zu verteidigen.“ Pech nur, dass Merkel ausdrücklich eine europäische Anschlussverwendung abgelehnt hat.

So beließen es die Staats- und Regierungschefs am Abend dabei, sich von EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Bericht anzuhören, der in der Erkenntnis gipfelte, dass „alles sehr schwierig ist“.